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Aussetzung des TRIPS-Abkommens?

Artikel-Nr.: DE20201230-Art.01-02-2020

Aussetzung des TRIPS-Abkommens?

Pantente und der Kampf gegen Covid

Seit Indien und Südafrika im letzten Herbst in der WTO einen Vorschlag zur zeitweisen Aussetzung des Abkommens über handelsbezogene geistige Eigentumsrechte (TRIPS) vorlegten, streiten sich Industrie- und Entwicklungsländer. Der Verteilungskampf um den knappen Covid-19-Impfstoff zeigt, dass im Kampf gegen die Pandemie gemeinsames Handeln erforderlich ist, sagen Verfechter eines zeitweisen Verzichts auf Patentrechte. Von der Debatte in der WTO berichtet D. Ravi Kanth.

Viele Staaten der World Trade Organization (WTO) haben begriffen, wie wichtig eine Aussetzung des Abkommens über handelsbezogene geistige Eigentumsrechte (TRIPS) für die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie ist. Besonders, um die globale Produktion der für die Pandemie relevanten Arzneimittel und Impfstoffe zu erhöhen, muss gemeinsam auf globaler Ebene gehandelt werden, damit es nicht zu Verteilungskämpfen kommt. Das teilten Verhandlungsführer dem South-North Development Monitor (SUNS) mit. Einige Gegner der Aussetzung – u.a. die USA, die EU, Japan und die Schweiz – setzen jedoch auf eine Ablenkungstaktik und fordern Nachweise, warum die Befürworter nicht die bereits existierenden Möglichkeiten im Rahmen des TRIPS-Abkommens nutzen können, so die Verhandlungsführer.

  • Offene Fragen

Die Vorsitzende des WTO-Rats für TRIPS, Botschafterin Xolelwa Mlumbi-Peter aus Südafrika, hielt am 27. Januar eine Kleingruppentagung mit Teilnehmern aus rund 15 Staaten ab. Ziel war es, auf Basis von drei zuvor an die Teilnehmer verteilten Fragen das weitere Vorgehen zu besprechen. Teilnehmer der Konferenz waren u.a. die USA, die EU, Japan, Kanada, Schweiz, Australien, Indien, Südafrika, Pakistan, Jamaika, Ägypten, Malaysia, Indonesien und Venezuela. Die Vorsitzende informierte die Teilnehmer über die Absicht des Treffens: Die Ansichten der Delegierten über eine TRIPS-Aussetzung zu erfahren und wie man weiter vorgehen solle, um diese Forderung voranzubringen.

Die drei Fragen der Vorsitzenden waren:

* „Welche Elemente der Aussetzung sind aus Sicht Ihrer Delegation besonders wichtig für eine multilaterale Lösung des gemeinsamen Ziels, einen schnellen, zeitigen, bezahlbaren und fairen Zugang zu Impfstoffen und Behandlungsmitteln sicherzustellen, um die Covid-19-Pandemie zu bekämpfen?“

* „Hat die Debatte Klarstellungen zu wesentlichen Bestandteilen des TRIPS-Abkommens bezüglich der Gesundheitsversorgung gebracht? Wie können diese genutzt werden, um eine Einigung zu erzielen?“

* „Wie sieht Ihre Delegation Zeitplan und Format der Beratungen, die in einen Bericht für den Allgemeinen Rat der WTO münden sollen – so, wie es vom TRIPS-Rat im Dezember 2020 verkündet wurde?“

  • Globale Lösung proritär

Die Unterstützer der TRIPS-Aussetzung – Südafrika, Indien, Pakistan und weitere Länder – machten während der Sitzung ihren Standpunkt deutlich. Es sei an der Zeit, dass die WTO-Mitglieder gemeinsam daran arbeiteten, die Aussetzung zu beschließen, sagten sie laut Teilnehmern, die nicht genannt werden wollten. Das Vorhaben der TRIPS-Aussetzung hat eine vorübergehende Aufhebung mehrerer Klauseln des TRIPS-Abkommens zum Gegenstand, die sich auf Urheberrecht, Gebrauchsmuster, Patente und den Schutz vertraulicher Informationen beziehen. Ziel ist die schnellere Produktionssteigerung von Arzneimitteln und Impfstoffen.

Angesichts der internationalen Streitigkeiten um die Versorgung mit Impfstoffen haben Südafrika und Indien nach Aussage eines anonymen Teilnehmers eine „globale Vorgehensweise“ gefordert, da die derzeitige Lage mit alarmierender Knappheit sowie Produktions- und Lieferschwierigkeiten eine „direkte Folge der unangemessenen Anwendung monopolistischer Schutzrechte“ sei. Auf dem Treffen sagte der südafrikanische Delegierte Mustaqeem Da Gama, dass die Mitglieder „eine globale Lösung finden müssten, da Covid-19 eine globale Vorgehensweise erfordere und das TRIPS-Abkommen nur spezifische Probleme mit Schutzrechten einzelner Mitglieder behandle“. Die in dem Abkommen enthaltenen Regeln reichten nicht aus, um eine globale Gesundheitskrise wie Covid-19 zu bewältigen – die schlimmste Pandemie seit 100 Jahren.

Auch Indiens WTO-Botschafter Brajendra Navnit betonte, dass Covid-19 nur mit einer globalen Herangehensweise auf Basis der TRIPS-Aussetzung bekämpft werden könne. Nach den Befürwortern müssten „die Staaten, die auf die bestehenden Regeln des Vertragswerks und ihre großzügigen Spenden für die COVAX-Fazilität (ein Finanzierungsrahmen für Impfstoffbestellungen) verweisen, anerkennen, dass keine dieser beiden Optionen den Kampf gegen die Covid-19-Pandemie vorangebracht habe, die vor mehr als einem Jahr begann.“

Die Befürworter argumentierten, sie hätten klare Nachweise dafür vorgelegt, dass Schutzrechte für geistiges Eigentum ein Hindernis seien und dass eine Aussetzung des TRIPS-Abkommens dringend nötig sei.

  • Hinhaltetaktik der Industrieländer  

Einige Gegner antworteten, dass sie durchaus gesprächsbereit seien, aber noch dabei seien, die von den Befürwortern vorgelegten Belege zu prüfen. Die Gegner sagten, sie wollten überlegen, welche Vorschläge die Vorsitzende dem Allgemeinen Rat der WTO bei der Sitzung im nächsten Monat unterbreiten solle.

Die Befürworter allerdings wiesen darauf hin, dass es verfrüht sei, über die Vorschläge der Vorsitzenden zu beraten, da die Mitglieder zunächst eine globale Vorgehensweise auf Basis der Aussetzung beschließen müssten, sagte ein weiterer Teilnehmer, der ebenfalls anonym bleiben wollte.

Die Gegner widersetzten sich der Forderung, nach drei Monaten Diskussion und Klarstellungen nun Text-Verhandlungen über die Aussetzung zu beginnen, mit dem Argument, sie müssten die Nachweise weiter prüfen, so der Teilnehmer. Die Gegner sagten, die Belege über die spezifischen Probleme aufgrund von Urheberrechten, Gebrauchsmustern, Patenten und Schutz vertraulicher Informationen seien kein Beweis, dass der Schutz geistigen Eigentums ein Hindernis sei, sagte ein anderer Teilnehmer. „Sie reichen ihnen den Finger, und sie nehmen die ganze Hand“, meinte er.

Die Gegner nutzten eine Ablenkungstaktik und stellten eine Frage nach der anderen, und wenn man eine beantworte, behaupteten sie, man habe dies nicht getan. Japan z.B. sagte auf der Konferenz, die Aussetzung zerstöre den Schutz geistigen Eigentums und könne nicht die Produktionskapazitäten für Behandlungsmittel und Impfstoffe erhöhen. Kanada sagte, es sei wichtig, die Diskussion weiterzuführen, und deute damit an, dass noch mehr Belege für eine Entscheidung über die Aussetzung nötig sei, so der Teilnehmer.

  • Blind für Beweise

Daraufhin sagte Indiens Wirtschaftsgesandter offenbar gegenüber Kanada, die Gegner blieben absichtlich blind für die Beweise, die auf der Hand lägen, wie zum Beispiel die Kämpfe um Impfstoff. Die USA sagten, sie könnten die Argumente der Befürworter verstehen, beharrten aber gleichzeitig darauf, dass die Schutzrechte nicht das entscheidende Hindernis zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie seien, so der Teilnehmer. Kurz gesagt, „einige Gegner unterminierten weiterhin die Bemühungen um Text-Verhandlungen, obwohl sie die wesentlichen Bestandteile der TRIPS-Aussetzung anerkannt hätten“.

Die gegenwärtig stattfindenden Verteilungskämpfe um Impfstoff bestätigen die Argumente der Befürworter, dass eine Aussetzung des TRIPS-Abkommens dringend gebraucht wird, um den Mangel an Impfstoff zu beseitigen und die Produktion in allen Ländern zu erhöhen, damit die benötigten Behandlungsmittel und Impfstoffe großen und kleinen Staaten gleichermaßen zur Verfügung stehen.

D. Kavi Kanth ist WTO-Korrespondent des South-North Development Monitor (SUNS), dem dieser Bericht entnommen ist. Posted: 17.2.2021